Grenzen im Fluss
So war die Urerfahrung der Neuankömmlinge, in einer verbrannten
Landschaft und in
fremden Häusern zu leben. Fanden sie ein unversehrtes Haus, traten
sie in die soeben
verlassene Welt einer deutschen Familie. Im Schrank duftet frisch
gemangelte Wäsche, das
Bett ist gemacht, in der Kommode liegen die Sommerkleider der
Hausherrin. Doch wie ist
die Apparatur im Badezimmer zu bedienen? Wohin mit dem Vieh? Für
die aus Ost- und
Zentralpolen stammenden Vertriebenen und Siedler waren die Häuser,
Maschinen und
Geräte im neuen Westen fremd. Was sie kannten, wurde verwendet,
anderes verrottete.
Viele Familien glaubten nicht, dass sie länger bleiben
würden, mancher Koffer war noch
Monate später gepackt, das Phänomen der Zeitweiligkeit, das
Gefühl, hier nicht
herzugehören, hielt noch Jahrzehnte an. Und doch gründeten
sie mit der Zeit neue
katholische Friedhöfe, die protestantischen und jüdischen
Nekropolen verwitterten, in den
1980er Jahren wurden die meisten eingeebnet. Um den Beginn in der
Fremde zu
erleichtern, erklärten die Funktionäre unablässig, dass
es sich um urpolnische Gebiete
handle, die endlich zurück in den Schoß der Heimat gekehrt
sind. Währenddessen
verharrten viele deutsche Vertriebene am linken Oderufer, einige
hofften noch lange auf
eine Rückkehr. In der Mitte des verschwundenen Marktplatzes von
Krosno Odrzannskie
steht heute ein Betonmonument mit der Aufschrift: wir waren, wir sind,
wir werden sein.
Bisher umfasst dieses wir nur die polnischen Bewohner.